Seminar

Nichtfundierte Mengenlehre in der Linguistik


 
Markus Kracht 
kracht@math.fu-berlin.de
Hans Martin Gärtner 
gaertner@ling.uni-potsdam.de
Anton Benz 
benz@german.hu-berlin.de
Reinhard Blutner 
blutner@german.hu-berlin.de
Gerhard Jäger 
jaeger@zas.gwz-berlin.de
 


Programme können sich selbst aufrufen, Propositionen und Kenntnisse können selbstbezüglich sein, wechselseitiges Wissen schließt das Wissen um diese Wechselseitigkeit ein, syntaktische Ketten schließen  Zyklen und Schleifen nicht notwendig aus. Die gewöhnliche (wohlfundierte) Mengenlehre geht von Voraussetzungen aus, die eine unmittelbare Behandlung dieser Eigentümlichkeiten verbieten: Mengen können sich nicht selbst enthalten, Funktionen vertragen keine Selbstanwendung und Relationen dürfen sich nicht auf sich selbst beziehen.  Peter Aczel hat in den 80er Jahren eine widerspruchsfreie Mengenlehre entwickelt, die genau diese Beschränkungen aufhebt. Der erste Teil des Seminars ist  einer intuitiven und elementaren (d.h. nahezu voraussetzungslose) Einführung in Aczels antifundierte Mengenlehre gewidmet und illustriert die Grundideen anhand einfacher Beispiele (strukturierte Symbolketten, Zugänglichkeitsrelationen in der Modallogik).

Der zweite Teil ist der Diskussion von linguistischen Anwendungen gewidmet. Einen Schwerpunkt bildet die Dialog-Semantik. Die formale Beschreibung konzentriert sich auf den Begriff des wechselseitigen Wissen.  Mechanismen zur Aktualisierung und Revision wechselseitigen Wissens werden diskutiert. Den linguistischen Hintergrund bildet die Rolle wechselseitigen Wissens zur Beschreibung Sprecher-übergreifender aphorischer Verhältnisse.
Weitere Anwendungen befassen sich mit der Ontologie von Fakten, Situationen und  Propositionen, der Behandlung von Zirkularität, dem Informationsfluß in verteilten Systemen und dem Kettenbegriff in der generativen Syntax.

Die Zielsetzung des Seminars ist interdisziplinär in dem Sinne, daß Beispiele aus verschiedenen Bereichen (Semantik, Pragmatik,  Verarbeitungsmechanismen, Syntax) behandelt werden und, soweit  möglich, anhand ihrer inhaltlichen und formalen Eigentümlichkeiten zueinander in Beziehung gesetzt werden. Voraussetzung sind elementare Kenntnisse der (naiven) Mengenlehre und Vertrautheit mit Grundbegriffen der modelltheoretischen Semantik.