Einleitung
Philosophie und Philosophieren
Weltanschauungsphilosophien, die entweder als Art Religionsersatz dienen wollen oder doch zumindest Anweisungen zur Lebensmeisterung enthalten sollen. (Marxismus, Existenzialismus) |
Wesensphilosophien, die eine theoretische Erkenntnis anstreben, sei es unabhängig von den Einzelwissenschaften oder doch über sie hinausgehen, eine Gesamtschau anstrebend (Brentano, Husserl, Hartmann, Schelers) |
Philosophie als Untersuchung der Grundlagen
von Einzelwissenschaften (Wiener
Kreis und analytische Philosophie der Gegenwart)
Das Resultat der Philosophie sind nicht „philosophische Sätze", sondern das Klarwerden von Sätzen. Ludwig Wittgenstein |
Innerhalb der gegenwärtigen analytischen
Philosophie lassen sich wiederum drei Hauptströmungen unterscheiden.
Die ersten beiden sind durch Hinwendung zur Wissenschaftsssprache charakterisiert,
die letztere durch den radikalen Versuch, philosophische Probleme einzelwissenschaftlich
zu reduzieren.
Logische Analyse der Wissenschaftssprache
(Russell, Carnap, Goodman, Quine, Putnam u.a.) Rudolf Carnap |
Ein Verständnis für die Ausdrucksmittel von Wissenschaftssprachen soll dadurch erlangt werden, daß eine logisch-mathematische Analyse und Präzisierung dieser Sprachen versucht wird. Auseinandersetzung mit gewissen „philosophischen Sätzen", die als Scheinprobleme der Wissenschaft enttarnt werden. |
„Ordinary Language Philosophy"
(Moore, Wittgenstein, Ryle, Austin u.a Anhänger der Oxforder Schule) Ludwig Wittgenstein |
Klärung der Philosophischen Sprache durch
die Analyse des umgangssprachlichen Gebrauchs ihrer Terme
Alle Philosophie ist "Sprachkritik".
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Philosophie des Geistes
(Dretske, Fodor, Putnam, Searle, Churchland, Maturana & Varela) John R. Searle |
Ziel ist die weitgehende „Naturalisierung" der Erkenntnistheorie. Damit ist der Versuch gemeint, gewisse philosophische Probleme dadurch zu eliminieren, indem diese auf Lösungen im Rahmen empirischer Einzelwissenschaften zurückgeführt werden (relevant sind insbesondere die Kognitionswissenschaften: Psychologie, Künstliche Intelligenz, theoretische Linguistik) |
Dabei geht es einerseits um die Klärung
von Begriffen wie Wahrheit, Repräsentation, mentaler Zustand, Bedeutung,
Wissen, Intention, Bewußstsein und andererseits um die Klärung
bestimmter Zusammenhänge oder Wechselverhältnisses: Sprache und
Denken, Sprache und Erfahrung, Sprache und Bewußtsein, Gehirn und
Geist. Die Vorlesung versucht, für beide Themenkomplexe sinnvolle,
das heißt in sich konsistente Antworten zu finden, ohne dabei auf
eine
philosophische Grundhaltung fixiert zu sein.
Mit der Entwicklung der modernen Linguistik zur empirischen Einzelwissenschaft sind zunehmend Fragen nach der Grundlegung dieser Disziplin gestellt worden, insbesondere im allgemeinen Rahmen der Kognitionswissenschaft und Künstlichen Intelligenz. Das erscheint insbes. angesichts der zu beobachtenden Kommunikationslosigkeit zwischen verschiedenen Lehrmeinungen erforderlich.
Zwei Arten von „Konflikten" zwischen Wissenschaftlern:
(1) wissenschaftliche Meinungsverschiedenheit: Der Konflikt entsteht dadurch, daß im wesentlichen gleichartige Unterscheidungsfähigkeiten (Begriffe) infolge ungleicher Erfahrungssituationen unterschiedlich angewendet hat;
(2) Streit mit schwindendem Diskussionszusammenhang: Der Konflikt entsteht deswegen, weil die Unterscheidungsfähigkeiten (Begriffe) selbst, die beim Versuch der Einordnung von Gegenständen angewendet werden, nicht die gleichen sind.
Dementsprechend müssen wir auch zwischen zwei Arten der Auflösung von Konflikten unterscheiden: zwischenUnter Philosophen sind eher „Konflikte" der zweiten Art wahrscheinlich. Das illustriert der erste fiktive Dialog (Nach Ros). Und unter Linguisten und Verhaltensforschern sind eher Konflikte der ersten Art anzutreffen, obwohl dabei oft auf dunkle Weise sich Übergänge zum zweiten Konflikttyp andeuten. Das illustriert der nicht ganz so fiktive zweite Dialog.(1') Versuchen zur Auflösung eines Konflikts unter Anwendung von (als im wesentlich gleich unterstellten) Unterscheidungsfähigkeiten. Das sind dann, wie man sie nennen kann, die begriffsverwendenden Diskurse.
(2') Und Versuchen zur Auflösung eines Konflikts mit Hilfe der Diskussion über die jeweils zu verwendenden Unterscheidungsfähigkeiten. Wobei dies, wie man sagen kann, im Zuge begriffsreflektierender Diskurse geschieht.
Fiktiver Dialog 1
Prop.: Unser Begriff für das, was ein psychisches Phänomen ist, ist ein sinnvoller Begriff. Opp.: Das bestreite ich; das ganze Gerede von "psychischen Phänomenen" usw. scheint mir problematisch und wohl nur das Relikt einer faktisch bereits schon längst überholten Metaphysik; denn letztlich, so glaube ich, besteht alles doch nur aus (physikalisch zu verstehender) Materie. Prop.: Aber bitte: du wirst doch nicht bestreiten, daß dies ... dort ein Mensch ist, der Schmerzen hat, und somit ein Beispiel für das Vorkommen eines psychischen Phänomens. Womit zugleich die Sinnhaftigkeit des Begriffs "psychisches Phänomen" bewiesen wäre. Opp.: Aber gewiß bestreite ich dies. Was du als Schmerz, und damit als psychisches Phänomen bezeichnest, das ist für mich nur eine Abfolge bestimmter neuronaler Geschehen, die im übrigen letztlich auch nichts weiter sind als eine bestimmte Konstellation physikalisch-chemischer Abläufe. |
Fiktiver Dialog 2
Prop.:
1969 veröffentlichten die Gardners ihren ersten Bericht über
Washoes sprachliche Fortschritte in der angesehenen Fachzeitschrift Science.
Die verblüffende Nachricht von einem Schimpansen, der sich einer menschlichen
Sprache bediente, wurde in naturwissenschaftlichen Kreisen begeistert aufgenommen.
Wie die London Times später formulierte: „Für Biologen war es
ein ebenso epochemachendes Ereignis wie für Astronomen die Landung
auf einem Himmelskörper."
Opp.: Das Beeindruckendste an der Gebärdensprache von Schimpansen ist, daß sie im tiefsten Innern einfach nicht „kapieren", wozu die Gebärden eigentlich gut sein sollen. Sie wissen, daß die Trainer es gerne sehen, wenn sie Gebärden machen, und daß sie selbst mit Hilfe bestimmter Gebärden oft bekommen, was sie wollen, aber sie scheinen nie aus dem Bauch heraus zu spüren, was Sprache eigentlich ist und wie man sie nutzen kann. Prop.: Jajja, ich kenne diese Haltung. Wir wollten der Skepsis etlicher Wissenschaftler, zumeist Linguisten, begegnen, die behaupteten Washoe und die anderen Schimpansen seien vorzüglich dressierte Tiere, die ihren Lehrer nachahmten oder auf deren unbewußte Andeutungen reagierten, aber eigentlich keine Ahnung davon haben, was Sprache eigentlich ist. Wenn Washoe ihrem Kind die Gebärdensprache beibrachte-ohne daß ein Mensch daran beteiligt war-, wäre dies ein Beweis, daß die Schimpansen die korrekte Anwendung der Gebärden begriffen und sie spontan gebrauchten, um sich miteinander zu verständigen. Opp.: Donnerwetter. Prop.: Ich will Ihre wertvolle Zeit, Herr Opp. P., auch nicht über Gebühr in Anspruch nehmen und nur kurz auf die Resultate dieser Untersuchung zu sprechen kommen Nach lediglich acht Wochen mir Washoe sprach der einjährige Loulis regelmäßig Menschen und Schimpansen mit Gebärden an. Interessanterweise machte er sich keine einzige der sieben Gebärden zu eigen, die wir in seiner Gegenwart benutzen, sondern lernte ausschließlich von Washoe. Achtzehm Monate nach seiner Ankunft verwendete Loulis nahezu zwei Dutzend Gebärden spontan. Er war der erste Nichtmensch, der von anderen Nichtmenschen eine menschliche Sprache lernte. Opp.: Mit derartigen Sprüchen können Sie vielleicht die Zuschauer von Tonight Shows beeindrucken. Es trifft einfach nicht zu, daß Affen die amerikanische Gebärdensprache lernen. Diese widersinnige Behauptung beruht auf dem Mythos, daß ASL statt einer vollwertigen Sprache mit komplexer Phonologie, Morphologie und Syntax nur ein unbeholfenes System aus Gesten und Mimik ist. Es ist sicher so, daß Loulis‘ einige Gebärden aus dem natürlichem Repertoire von Schimpansen zu verwenden gelernt hat. Das ist wahrscheinlich. Übrigens teilte Jane Goodall bei einer Besichtigung eines anderen Projekts mit Schimpansen mit, daß jede einzelne der registrierten Gebärden ihr bereits aus ihren Beobachtungen wildlebender Schimpansen vertraut sei. Prop.: Natürlich haben Schimpansen schon seit Jahrmillionen im Dschungel mittels Gebärden miteinander gesprochen, und ihre Dialekte aus Handbewegungen, Gesichtsausdrücken und Körpersprache ähneln sehr stark den nonverbalen Elementen der menschlichen Sprache, die zum Teil in ASL eingeflossen sind. Wir Mitarbeiter am Projekt Washoe sahen die Schimpansengebärden und erkannten die Wurzeln der menschlichen Sprache. Aber Chomsky hatte ja schon die menschliche Geste als nichtsprachlich verworfen, folglich konnten die Gebärdendialekte der wilden Schimpansen auf keinen Fall mit der menschlichen Sprache in Zusammenhang gebracht werden. Opp.: Aber was ist denn nun das Wesen der menschlichen Sprache? Ich glaube, sie ist nichts, was Eltern ihren Kindern beibringen und was man in der Schule lernen müßte. Die unbewußten grammatischen Kenntnisse eines Vorschulkindes sind weitaus komplexer als das dickste Handbuch des guten Sprachstils oder das modernste Computersystem. Kinder erlernen Sprache nicht wie das Lesen einer Uhr oder die Namen der größten deutschen Flüsse, sie erlernen sie so, wie Spinnen lernen, Netze zu weben, oder Vögel das Fliegen lernen. Noch fehlt das letzte Glied in unserer Indizienkette, mit der wir beweisen wollen, daß Sprache ein spezifischer Instinkt ist und nicht nur eine pfiffige Problemlösung, mit de eine im großen und ganzen gescheite Spezies aufwarten konnte. Bislang hat noch niemand ein Sprachorgan oder ein Grammatik-Gen entdeckt, aber die Fahndung läuft. Prop.: Eigentlich sollte ich dabei viel Erfolg wünschen. Aber ich glaube wirklich nicht, daß die Sache irgendwie erfolgreich sein kann. Aufgrund meiner bisherigen Erkenntnisse mußte ich annehmen, daß Sprache nicht das Ergebnis irgendeiner Mutation ist, die in den Gehirnen unserer Vorfahren mit einem Schlag eine voll entwickelte Universalgrammatik hervorgebracht hätte. Vielmehr deutet alles darauf hin, daß die Ursprache der Hominiden ein Kommunikationssystem war, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde und sich zuerst in Form von Gesten, dann in Form von Lauten ausbildete. Währenddessen entwickelten sich unser Gehirn und unser Kehlkopf auf eine Weise, die das moderne menschliche Kind hervorragend darauf vorbereitet, Sprache zu erlernen und selbst zu sprechen. Doch die menschliche Sprache bleibt ein ziemlich prekäres kulturelles Artefakt und kann nur überleben, wenn sie von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Opp.: Das ist doch alles kompletter Unsinn. Ohne die Annahme einer angeboren Universalgrammatik kommen wir nicht weiter, sondern wir fallen bestenfalls auf behavioristische Denkmuster zurück. Ich verstehe Ihre Bedenken gegenüber einem Gen, das an etwas so spezifisches wie die Grammatik gekoppelt ist. Allein der Gedanke ist ein Angriff auf die tief verwurzelte Überzeugung, das Gehirn sei eine universell verwendbare Lernmaschine, die vor der Bekantschaft mit der sie umgebenden Kultur inhalts- und formlos ist. Und selbst wenn es Grammatikgene gibt - was tun sie dann? Nun, wahrscheinlich konstruieren sie das Grammatikorgan - eine von Chomsky entlehnte Metapher, die Vielen ebenso grotesk erscheint. Prop.: Das ist in der Tat grotesk. Und wie unplausibel das alles ist, zeigt auf besonders drastische Weise der jüngst veröffentlichte Fall des englischen Jungen Alex, der mit einer Hirnschädigung zur Welt kam und unter fortwährenden epileptischen Anfällen in der linken Großhirnrinde litt (Brain 120, 1997). Alex war unfähig zu sprechen, und als er acht Jahre alt war, wurde seine gesamte linke Hirnhälfte entfernt. Ein Paar Monate nach der Operation begann Alex zu sprechen; inzwischen ist sein sein Sprechvermögen beinahe normal. Wie bei den meisten rechtshändigen Kindern war das Sprachzentrum vermutlich auch bei Alex in der linken Hirnhälfte angelegt. Doch die gesunde rechte Hemisphäre erwies sich durchaus als fähig, die Aufgabe zu übernehmen, sobald sie Gelegenheit dazu bekam. Alex‘ Fall widerlegt nicht nur das sogenannte Sprachorgan, das Chomsky postuliert und irgendwo in der linken Hirnhälfte lokalisiert hatte, sondern auch die Theorie, der zufolge Kinder sich die Sprache nur während einer „sensiblen Phase" vor Vollendung des sechsten Lebensjahrs aneignen können. Opp.: Papperlapap, sechstes Lebensjahr ist natürlich Unsinn ... |
Literatur